Vielleicht

Vielleicht – Eventualität und Wagnis in einem

Im Wort „vielleicht“ klingt Vieles an. Es kann zum Hoffnungsträger werden. Wenn man bspw. in einer ausweglosen Situation steckt oder einen steilen Weg vor sich hat, sobald es ertönt, weckt es Assoziationen und setzt Gedanken in Gang, die einem soweit führen, dass man wieder Ideen hat, wie es weitergehen könnte im Leben.

Der Sprecher hat vermutlich nichts versprochen damit, er hat lediglich „vielleicht“ gesagt und damit eine Eventualität gemeint. Die Unsicherheit schwingt dabei immer mit. „Vielleicht“ heisst so viel wie, es gibt Möglichkeiten, es gibt sie noch, oder es gibt sie eben nicht. Die Realisierung aber auch die Zerschlagung eines Projektes, beides liegt drin.
„Vielleicht kann ich etwas für Sie tun.“ Damit sagt die Sprecherin bloss, dass Chancen bestehen, Chancen etwas zu verwirklichen, zu erschaffen, neu entstehen zu lassen, was so viel wie leben bedeutet.

Doch, wer dieses Wort zu oft gehört hat, verliert den Glauben an Verwirklichung, der Hoffnungsschimmer darin wird trübe, zurück bleibt die Eventualität. „Vielleicht“ ist weder Zu- noch Absage, Entscheide bleiben hängig und können im Warten zur zähen Materie werden. „Vielleicht“ ist Halbheit, meint weder Fisch noch Vogel sein, ist sitzen zwischen Stuhl und Bank. „Vielleicht“ ist aus der Warte des Sprechers womöglich ein Ausweichmanöver, eine bedeutungslose Aussage, einfach ein Füllwort oder ein Versprecher. Nein, ein Versprechen ist es nicht. Auch wenn die Hörerin es so deuten will, aus lauter Verzweiflung über den momentanen Zustand der Entscheidungslosigkeit, im Dazwischensein, das nun schon so lange andauert. „Vielleicht“ wird zum Ursprung für Misstrauen. Sobald das Wort nur anklingt, kommen schwarze Gedanken auf. Resthoffnungen werden aufgebraucht. Das Quentchen Lichtblick auf eine Ermöglichung eines Projektes, auf das Ende des Temporären, auf Heilung oder Ordnung werden im Keim erstickt. „Vielleicht“ kann nur noch zynisch verstanden werden.

Vielleicht. Seit der Trennungsstrich so klar zwischen den Worten steht, herrscht mehr Ausgeglichenheit und Vieles ist leichter geworden. Das Misstrauen hat sich verzogen. Zynismus wird in Schach gehalten. Und die konkrete Aufgabe, die einem zufallen könnte, steht zwar noch aus, wird aber nicht dringlichst erwartet. Viel-leicht klingt mit einem Mal locker und es steht einem wieder alles offen.

Vielleicht, vielleicht, viel-leicht macht das alles Sinn, eines Tages.

Vielleicht ist in jedem Fall ein Wagnis.


Die Kurzgeschichten fliessen meistens in einem Guss aus der Feder. Motiviert, vielmehr inspiriert dazu wurde die Logonautin durch Ereignisse, Zeitungsartikel oder Worte, die ihr zugefallen sind.

Jegliche Weiterverwendung in allen anderen Medien nur mit Genehmigung der Autorin.