Neujahrsbrief 2002

Das Jahr in der Krippe lag

… und hier nun der folgende Streich:
Horror, Grauen und Entsetzen flimmerten reich
Über die Leinwand der Realität, getüncht in friedvolle, saisonale Farbenpracht,
die der Herbst uns mitgebracht.
Erfolglos, flog er los … Atta rammte seine Boeing dem Tocher in den Schoss,
Kamerad al-Shehhi die zweite Maschine in den Zwillingsrumpf schoss.
Der alisierte Globus im Talibann gehalten,
erschrak darüber sehr und mehr,
der Obercowboy im Pentagon musste unverzüglich walten:
Undefinierte Gerechtigkeit her!
Sie war nicht sofort zur Stelle, man sucht sie seither!
Zwischenzeitlich war man Bomben und Fresspakete ins Wüstenmeer,
auf dass die Zivilisten mitmachen beim Bin Laden überlisten.
Doch damit nicht genug, ein weiterer blutiger Akt dann in Zug.
Da drehte einer durch, ballerte in juristischen hallen zu seinem Frust oder Gefallen.
Niemand weiss das so genau, man nimmt’s wie’s kommt, die Zeiten sind rau.
Zeitungen spritzen neudeutsche Wörter auf ihre Frontseiten,
eilige Passanten werfen ihre Blicke auf die bunten Schlagzeilen.
Jeder kriegt da seinen Kick und kann dann sphärisch abgeilen.
Über das vieldeutige «Grounding» unterhalten wir uns später.
Es heisst Parterrezuschauer oder Konkurs – du Verräter!
Schnurloser Mobilfunkverkehr esemesselt die Kommunikation
statt satelitenlose Schritttempo-Kontakte oder Intuition.
Die Kildschröte und ihr genetisches Schema sind entlarvt,
der Panzer aufgeweicht und die Nachkommen im Reagenzglas versklavt.
Beim Streifzug durch die Wörterbücher, ich sage, stellt sich mir die Frage
ob ein Grisly-Bär quengelnd sei oder einfach nur schrecklich wär’.
Ich mag mich nicht entsinnen, gezwungen den Moment zu be-sinnen,
damit ihm nicht der letzte Inhalt kann entrinnen.
Ich steuere mein Lebensschifflein im leergefischten Zeitenmeer,
wo die Stunden, die da wellen und wogen rar geworden sehr,
das Zifferblatt verzogen und die Zeiger verbogen.
Hab ich was vergossen, meine lieben Zeitgenossen?
In diesem Winkel will ich es nicht versäumen
Euch gute Neujahrswünsche einzuräumen.
So schick ich Euch mit Stumpfschlageinwirkung den Superlativ,
im Wissen um das Gute, es ist relativ.
Uusnahmswys schryb y no en Epilog:
Dr Liebgott gseht in jedes Härz,
das isch nyt verkeehrts.
Goht das mit rächte Dinge zue – naj?
Findet är deert e Schtai,
denn isch dr Liebgott e Geolog.


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